Das Schwerpunktprojekt 7 untersucht, wie Unternehmen ihre alltäglichen Herausforderungen bei der Datenaufbereitung bewältigen können. Bei der Firma Grötschel zeigte sich ein konkretes Problem: Eine Mitarbeiterin stellt wöchentlich Informationen zu Auftragsständen, Lieferterminen und Kosten zusammen. Diese Daten werden aus dem unternehmenseigenen ERP-System exportiert, anschließend aufwändig konsolidiert und beispielsweise kritische Aufträge farblich gekennzeichnet. Diese aufbereiteten Informationen bilden die Grundlage für wöchentliche Abstimmungsgespräche zwischen Vertriebsleitung, Projekt- und Abteilungsleitern. In diesen Treffen sollen die Beteiligten die Auslastungssituation überblicken und notwendige Entscheidungen zur Sicherung von Terminen und geplanten Kosten treffen.
Dieser manuelle Aufbereitungsprozess bringt zwar Nachteile mit sich, ist aber aufgrund der vorhandenen digitalen Möglichkeiten alternativlos. Obwohl das ERP-System Projekttermine, -budgets und, in einer separaten Zeiterfassungskomponente, auch die gebuchten Stunden für jedes Projekt enthält, liefert es keine Unterstützung für die Verknüpfung und Auswertung dieser Daten. Weiterhin existiert keine Softwareunterstützung für die Erfassung der tatsächlichen Auftragsabwicklung. Informationen zu Abteilungsauslastung oder Fertigmeldungen einzelner Arbeitsschritte werden durch die Projektleiter individuell eingeholt. Dadurch wird die Vorbereitung der wöchentlichen Abstimmungstreffen sehr aufwändig und auch fehleranfällig (z.B. durch nicht aktuelle Datenexporte).
Gemeinsam mit Forschenden der TU Dresden wird das Werkzeug „ProjektOr“ entwickelt. Das neue System extrahiert und verknüpft die im ERP vorliegenden Daten und überführt diese in ein anwendungsunabhängiges Data Warehouse. Weiterhin bietet es eine Benutzeroberfläche, die Informationen übersichtlich und komfortabel in Form von zielgruppenspezifischen Dashboards bereitstellt und eingeloggte Personen auf etwaige Handlungsbedarfe hinweist. Projekt- und Abteilungsleiter können zukünftig Rückmeldungen zum Zustand einzelner Aufträge geben, wodurch eine einfache und einheitliche Möglichkeit zur Informationsbereitstellung und Dokumentation des Auftragsverlaufs geschaffen wird.
Der Reallabor-Ansatz bei der Projektbearbeitung schafft einen intensiven Austauschraum, in dem Theorie und Praxis aufeinandertreffen. Der Kerngedanke ist einfach: Aus dem praktischen Problem des Unternehmens entstehen gemeinsam mit den Forschenden der TU Dresden innovative Lösungen – nicht im akademischen Elfenbeinturm, sondern mittendrin in den realen Anforderungen und Zwängen des Unternehmens.
Der Projektmanager des Unternehmens fungiert als zentrale Schnittstelle zwischen Forschungsteam und Unternehmensalltag. Auf der Unternehmensseite sind darüber hinaus die Geschäftsführerin (die auch Vertriebsaufgaben wahrnimmt), der IT-Administrator und der Abteilungsleiter Entwicklung dauerhaft eingebunden. Die Projektleiter und anderen Abteilungsleiter werden punktuell einbezogen.
In monatlichen Video-Jour-Fixes werden drei zentrale Aspekte verhandelt, die Innovation erst ermöglichen:
- Es werden aktuell auftretende Probleme offengelegt – etwa Schnittstellenprobleme beim Datenabruf oder Fragen zur Systemintegration.
- Es werden Dashboardentwürfe unmittelbar mit den potenziellen Nutzern diskutiert.
- Es erfolgt eine kontinuierliche Schärfung der Anforderungen an das Dashboard. Diese werden iterativ neu formuliert, weil sich die technischen Möglichkeiten weiterentwickeln.
Der bisherige Entwicklungsprozess von ProjektOr verlief nicht geradlinig. Was 2022 mit einem ersten Überblicksgespräch begann, führte über umfangreiche IST-Analysen zu einer Schwerpunktsetzung im September 2023. Bis dahin wurden verschiedene Lösungsansätze entwickelt, diskutiert und wieder verworfen. Letztendlich legte die Geschäftsleitung fest, ein BI-Dashboard als Schwerpunkt umzusetzen.
Die zentralen Herausforderungen lagen in der IT-Infrastruktur des Unternehmens. Schnittstellenprobleme beim Datenabruf aus dem ERP-System mussten gelöst werden. Das entwickelte System musste sich an die bestehende IT-Hardwarelandschaft anpassen lassen. Zudem war ein konsistentes Datenmodell erforderlich – als Grundlage für Transparenz und künftige Weiterentwicklung.
ProjektOr wird zukünftig fundierte Geschäftsentscheidungen unterstützen und die Kommunikation zwischen Abteilungen verbessern, da alle Beteiligten nun denselben Überblick über relevante Daten haben. Das Dashboard schafft deutlich mehr Transparenz bei der Termineinhaltung und bei der Kapazitätsauslastung. Automatisierte Datenabrufe und Visualisierungen reduzieren den wöchentlichen Aufbereitungsaufwand.
Für Endnutzer (Abteilungsleiter und Projektleiter) reicht eine grundlegende Einweisung und eine Bedienungsanleitung in ProjektOr aus. Diese müssen sich allerdings künftig der Pflicht bewusst sein, umfassend mit dem System zu arbeiten und alle Informationen ständig aktuell zu halten.
Im Gegenzug erhalten sie einheitliche Informationen zum Auftragsstatus und eine kompakte Darstellung des aktuellen Auftragsvolumens für ihren Verantwortungsbereich.
Welche Wirkung entsteht daraus: Der Einsatz von ProjektOr erhöht die Transparenz der Auftragsabwicklung und ermöglicht es, Abweichungen eher zu erkennen und dementsprechend früher zu handeln. Zu spät erkannte Probleme und der daraus resultierende Druck auf einzelne Beschäftigte und Abteilungen können so reduziert werden. Die Automatisierung von Datenabruf, -aufbereitung und Visualisierung entlastet Beschäftige bei organisatorischen Teiltätigkeiten.
Allerdings darf die Möglichkeit negativer Auswirkungen nicht außer Acht gelassen werden: ProjektOr ersetzt individuell etablierte Dokumentationsprozesse, was nur bei Akzeptanz der Beschäftigten vollumfänglich funktioniert. Weiterhin müssen die Nutzer kontinuierlich mit dem System arbeiten, um eine aktuelle und vollständige Auftragsdatendokumentation sicher zu stellen. Erhöhte Transparenz ermöglicht konstantes Vergleichen und Bewerten, was u.U. aber auch zu Belastungen bei den verantwortlichen Beschäftigten führen kann.
Ob diese Wirkungen tatsächlich wie vermutet eintreten, wird noch im Detail identifiziert und evaluiert.
ProjektOr basiert auf Open-Source Software. Dadurch ist es unabhängig von bestehender kommerzieller Unternehmenssoftware und erlaubt es, das System an die spezifischen Anforderungen des Unternehmens anzupassen und mit wachsenden Anforderungen weiterzuentwickeln – statt umgekehrt das Unternehmen an vorgefertigte Lösungen anpassen zu müssen.
Klar ist bereits: für IT-Systemverantwortliche entstehen daraus neue Anforderungen. Sie tragen die Verantwortung für die Lauffähigkeit des Systems und zukünftig auch für dessen Anpassung und Weiterentwicklung.
ProjektOr zeigt aber bereits jetzt, wie digitale Transformation erfolgreich gelingt: nicht durch die Suche nach der perfekten Standardlösung von außen, sondern durch einen kooperativen Entwicklungsprozess, in dem Forschende und Praktiker eng zusammenarbeiten.
Bild 1: Auftragsübersicht vor dem Einsatz von ProjektOr
Bild 2: Auftragsübersicht mit ProjektOr
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