Im Schwerpunktprojekt 1 arbeiten die Hochschule Mittweida, die IMM electronics GmbH und der Netzwerkpartner Silicon Saxony e.V. gemeinsam an der Entwicklung eines intelligenten Assistenzsystems zur ergonomischen Arbeitsplatzgestaltung. Ziel ist es, moderne Technologien einzusetzen, um die Arbeitsbedingungen in der manuellen Montage zu verbessern und gesundheitliche Belastungen zu minimieren. Das System befindet sich noch in der Entwicklungsphase und wird derzeit durch Tests und Experimente validiert.
Kern des Projekts ist ein kameragestütztes, datenbasiertes System, das Bewegungsabläufe der Mitarbeitenden anonymisiert erfasst, analysiert und in Echtzeit Rückmeldungen zur Körperhaltung geben soll. Durch diese kontinuierliche Analyse lassen sich ungünstige Haltungen frühzeitig erkennen und langfristige gesundheitliche Schäden vermeiden. Um den Datenschutz der Mitarbeitenden zu gewährleisten, wird aus den erfassten Bilddaten in einem lokalen Prozess ein digitales Abbild der Körperhaltung erzeugt. Aus diesem Abbild wird die Haltung in Echtzeit erkannt und eine Rückmeldung generiert, sobald eine ungesunde Körperhaltung über einen längeren Zeitraum hinweg festgestellt wurde. So können ergonomische Verbesserungen direkt in den Arbeitsalltag integriert werden.
Drehbuch für einen Referenzablauf
Eine realitätsnahe Datenlage in Form eines digitalisierten Arbeitsprozesses ist essenziell für die erfolgreiche Umsetzung des Projekts. Mithilfe dieser Daten können in einer 3D–Simulation verschiedene Parameter, insbesondere die Anzahl und Position der eingesetzten Kameras, ausprobiert und automatisch evaluiert werden. Zur Erstellung des Datensatzes führte die Hochschule Mittweida eine detaillierte Analyse an den realen Montagearbeitsplätzen durch, die Arbeitsplatzbeobachtungen vor Ort und Interviews mit den Mitarbeitenden der Firma IMM electronics GmbH umfasste. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse wurde ein Referenzablauf erstellt, der in einer Art Drehbuch sämtliche Arbeitsschritte sowie die verwendeten Materialien und Werkzeuge dokumentiert. Um die Vorbereitungen zu erleichtern und den Einweisungsaufwand zu reduzieren, wurden einzelne Arbeitsschritte substituiert, insbesondere wurden die elektrischen Bauteile durch Klemmbausteine vergleichbarer Größe ersetzt.
Eine Farbcodierung erleichtert das Verständnis der Abläufe. Dies dient dazu, externe Personen in die Lage zu versetzen, einen vergleichbaren Arbeitsablauf realitätsgetreu nachzustellen, und so den Rahmen der möglichen Probanden zu erweitern.
Für die Aufzeichnung des Arbeitsprozesses konnte mit dem Institut Chemnitzer Maschinen- und Anlagenbau e.V. (ICM) ein weiterer Partner aus dem PAL-Konsortium ins Boot geholt werden. Das ICM hat mit seinem Forschungsfeld Mensch-Technik-Systeme die notwendige Erfahrung und Ausstattung zur Erfassung und Analyse menschlicher Bewegungen.
Untersuchter Arbeitsplatz in der manuellen Fertigung der IMM electronics GmbH
Live-Test mit Kameras bei ICM
Am 29. Januar 2025 fand im Labor des ICM eine Aufzeichnung statt. Hierfür wurden das aktuelle System aus dem Schwerpunktprojekt und das Referenzsystem eingesetzt. Das Referenzsystem ist ein Motion Capture System, kurz Mocap. Es dient zur Erfassung von Bewegungen von Menschen, Tieren oder Objekten. Das eingesetzte Motion Capture System nutzt Marker, die an Armen und Beinen der Testperson angebracht werden. Während sich die Person innerhalb eines fest installierten Kamerasystems bewegt, erfassen mehrere Kameras die Positionen der Marker und errechnen daraus deren Position im dreidimensionalen Raum. Ziel des Termins war es, einen Bewegungsablauf, der einen realistischen Arbeitsprozess simuliert, aufzuzeichnen und als Animationsdaten zur Verfügung zu stellen. Ohne die Verfügbarkeit einer Aufzeichnung müssten die Bewegungen in dem zu entwickelnden Assistenzsystem in der Simulation manuell animiert werden. Dieser Prozess ist zeitaufwändig und unter Umständen nicht realitätsnah, da die animierende Person sehr viel eigene Interpretation in die Aufgabe fließen lässt und sich verschiedene Details nur in der Realität erfassen lassen. Eine Mitarbeiterin der Hochschule Mittweida wurde mit den erforderlichen Markern ausgestattet und führte die erforderlichen Arbeitsschritte gemäß dem erstellten Drehbuch aus. Die erfassten Daten wurden anschließend analysiert und bereinigt, um danach auf ein Modell innerhalb der Simulation übertragen zu werden. Zudem ist ein Vergleich der beiden Systeme vorgesehen.
Am 20. März 2025 fand ein weiterer Testlauf beim ICM statt. Dieser zusätzliche Termin wurde notwendig, nachdem bei der Auswertung der ersten Aufnahmen vom Januar Optimierungspotenziale festgestellt wurden. Um die Datenqualität und Genauigkeit der Bewegungsaufzeichnung weiter zu verbessern, wurden Anpassungen an der Durchführung vorgenommen – etwa bei der Positionierung der Kameras. Der zweite Testlauf diente dazu, die Bewegungsdaten noch realistischer und feiner aufgelöst zu erfassen, um die Grundlage für eine noch exaktere digitale Simulation zu schaffen.
Der partizipative Entwicklungsprozess während der Erstellung des datenbasierten Assistenzsystems aber auch zur Einführung in der Pilotfirma IMM bringt sowohl für die Mitarbeitenden als auch für das Unternehmen erhebliche Vorteile. Die direkte Rückmeldung durch das Assistenzsystem soll den Mitarbeitenden helfen, ergonomische Anpassungen besser in ihren Arbeitsalltag zu integrieren. Dies soll langfristig die Gesundheit fördern und krankheitsbedingte Ausfälle reduzieren. Gleichzeitig erhält das Unternehmen wertvolle Daten zur Optimierung von Montageprozessen und zur ergonomischeren Arbeitsplatzgestaltung. Durch den Einsatz innovativer Technologien und die enge Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Industrie leistet das Projekt einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung ergonomischer Arbeitsbedingungen und zur langfristigen Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz.
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