An der Hochschule Mittweida wird im Projekt PAL zum automatisierten Schweißen geforscht. Im Gespräch mit Prof. Julia Zähr, Inhaberin der Professur für Automatisierte Fügeprozesse und Simulation, haben wir erfahren, warum gut ausgebildete Schweißfachkräfte weiterhin unverzichtbar bleiben, welche Herausforderungen bei der Automatisierung bestehen und wie Cobots die Arbeit sicherer und effizienter machen können. Lesen Sie, wie die Kombination aus menschlicher Expertise und modernster Technologie die Schweißindustrie auch bei nur kleinen Losgrößen verändert.

Werden Roboter künftig ein jahrtausendealtes Handwerk ersetzen?

Seit mehreren tausend Jahren verwenden Menschen bereits thermische Fügeverfahren, um Metalle miteinander zu verbinden – damals betraf das insbesondere das Löten von Schmuck, Gebrauchsgegenständen und Waffen. Ausgehend vom Löten entwickelte sich Ende des 19. Jahrhunderts das Autogen- und Lichtbogenhandschweißen. Im vergangenen Jahrhundert erlebten die Lichtbogentechnologien eine enorme Weiterentwicklung. Die prozessbedingten Gefahren des Schweißens, insbesondere das Verletzungsrisiko und auch Gesundheitsrisiken durch das Einatmen giftiger Schweißdämpfe und -gase, gehören neben der Tendenz zur Serienfertigung zu den Gründen, warum bereits seit den 1950er Jahren im industriellen Umfeld zu roboterbasiertem Schweißen geforscht wird. Bei der Herstellung von Bauteilen in hohen Stückzahlen profitieren Unternehmen inzwischen seit vielen Jahren vom Einsatz der Schweißroboter.

Prof. Julia Zähr

Für kleine und mittlere Unternehmen mit Fertigungsaufgaben in geringen Losgrößen und mit häufigem Bauteilwechsel hingegen fehlt es nach wie vor an geeigneten automatisierten Lösungen, hier werden weiterhin viele Aufgaben manuell realisiert. Diese Unternehmen stehen zusätzlich vor der Herausforderung des Fachkräftemangels, denn viele junge Menschen haben aufgrund der damit verbundenen Risiken und auch, weil er körperlich sehr herausfordernd ist, kein Interesse mehr daran, den Beruf des Schweißers zu erlernen. Gerade für diese Anwendungen eignet sich der Einsatz von kollaborierenden Robotern, sogenannten Cobots.

An der Hochschule Mittweida arbeitet Prof. Dr.-Ing. Julia Zähr mit ihrem Team an Themen zum automatisierten Metallschutzgasschweißen für Kleinserienfertigungen mit dem Ziel, für diese Herausforderungen Lösungen für die Praxis einfach anwendbar zu machen.

Beim Schweißen kommen verschiedene menschliche Sinne zum Einsatz – wie lässt sich das auf Cobots übertragen?

Das ist eine spannende Frage, mit der wir uns in der praxisnahen Entwicklung intensiv auseinandersetzen. Beim Schweißen setzt der Mensch mehrere Sinne ein. Den Sehsinn natürlich, um den Schweißprozess genau zu beobachten und sicherzustellen, dass der Lichtbogen die Nahtflanken ausreichend erfasst, d. h. darüber werden die Bewegungen des Schweißers zur Realisierung der optimalen Brennerpositionierung und -führung gesteuert. Gebraucht wird auch der Hörsinn, denn unterschiedliche Geräusche können auf Probleme oder Veränderungen im Schweißprozess hinweisen. Und der Gleichgewichtssinn ist wichtig für eine stabile Körperhaltung während des Schweißens, besonders in schwierigen Positionen oder Höhen.

All das müssen wir bei der Entwicklung von kollaborierenden Robotern beachten. Kameras sowie verschiedene Arten von Sensoren, insbesondere optische und akustische,  können uns dabei helfen, jedoch erhöhen sie die Komplexität des Prozesses und der Steuerung und somit die Investitionskosten. Das Zusammenspiel aller menschlichen Sinne eines erfahrenen Schweißers nachzuahmen, ist tatsächlich eine herausfordernde Aufgabe.

Ist ein Roboter beim Schweißen denn schneller als ein Mensch?

Das kommt auf die Komplexität der Bauteile und die Roboteranlage an. Bei großen, eingehausten Industrierobotern, die für die Fertigung großer Serien zum Einsatz kommen und mit hohen Verfahrgeschwindigkeiten arbeiten, ist das definitiv der Fall. Bei den Cobots sind die Verfahrgeschwindigkeiten geringer, so dass die Gesamtarbeitszeit höher ist. Aber die Schnelligkeit ist ja nicht der maßgebliche Grund für die Automatisierung des Vorgangs bei der Fertigung von Kleinserien.

Warum wird dann so intensiv an der Automatisierung gearbeitet – geht es hier vor allem um den Sicherheitsaspekt?

Sicherheit und Gesundheit spielen eine wichtige Rolle, ebenso der Aspekt der körperlichen Anstrengung. Viele Unternehmen haben zunehmend Schwierigkeiten, Handschweißer zu finden. Ein kollaborativer Roboter, den ich per Tablet bediene, erhöht die Attraktivität des Schweißer-Berufes bei jungen Menschen. Auch wenn für jede Schweißaufgabe ein gewisser initialer Programmierungsaufwand erforderlich ist, kann sich dies schon – in Abhängigkeit von der Komplexität der Schweißaufgabe – ab 20 Stück rechnen. Somit können auch trotz schwindender Fachkräfte die Schweißaufgaben zukünftig qualitätsgerecht realisiert werden.

Wird der Beruf des Schweißers denn irgendwann ganz verschwinden?

Davon gehe ich nicht aus. Zum einen wird es langfristig immer gut ausgebildete Schweißer für das Schweißen von Einzelteilen geben. Aber sie können sich dann eben auf diese Sonderfälle konzentrieren, während Standardfälle automatisiert bearbeitet werden. Des Weiteren wird auch für das Programmieren sowie Bedienen der Roboter Schweißfachpersonal benötigt.

Aber die Schweiß-Cobots sind ein typisches Beispiel dafür, wie Technologie die Arbeit verbessern und unterstützen kann. Ja, sie ist relativ teuer. Vielleicht lassen sich dadurch noch nicht einmal Personalkosten einsparen, denn ein Cobot braucht einen Menschen an seiner Seite, der ihn bedient. Dadurch verschieben sich auch Kompetenzen – nicht mehr alle Mitarbeitenden schweißen dann selbst.

Im Grunde benötigt man im Unternehmen dann verschiedene Qualifikationen: Zum einen braucht es Personen, die die Cobots einrichten. Dieser „Programmierer“ sollte über umfassendes schweißtechnisches Knowhow verfügen, um die schweißtechnischen Parameter für eine qualitätsgerechte Naht einzustellen. Die Cobots haben hier den Vorteil, dass nur wenig Software-Knowhow erforderlich ist. Jeder Mensch, der mit Handy und Tablet gut umgehen kann, erlernt das Programmieren der Cobots in ein bis zwei Tagen. Zum anderen werden Anlagenbediener benötigt, die grundlegendes schweißtechnisches Wissen besitzen sollten. Sie müssen dies in Form einer einfachen Schweißerprüfung, der sogenannten Bedienerprüfung, auch nachweisen. Diese Personen sind dauerhaft vor Ort, um die Bauteile ein- und auszulegen und bei der Entnahme eine visuelle Prüfung der Schweißnaht durchzuführen.

Das klingt ganz schön komplex – können kollaborierende Roboter die Situation denn tatsächlich verbessern?

Cobots sind einfacher zu programmieren als Industrieroboter. Die Software ist benutzerfreundlicher und erfordert weniger Schulung. Das ermöglicht es Mitarbeitenden in KMU, sich schneller in die Bedienung einzuarbeiten, auch wenn keine spezifische Softwareausbildung vorhanden ist. Hier ist die Flexibilität für Unternehmen in der Stellenbesetzung also höher.

Es gibt inzwischen auch Software-Lösungen, die darauf abzielen, die Programmierung von Industrierobotern zu vereinfachen. Hier erwarte ich in den nächsten Jahren Fortschritte auch bei den Industrierobotern, denn die Industrieroboter haben Vorteile in der Reichweite, d. h. in den zu fertigenden Bauteilgrößen.

Grundsätzlich hilft die Automatisierung dabei, den Fachkräftemangel zu kompensieren und die Arbeit sicherer zu machen. Roboter können gefährliche und körperlich anstrengende Aufgaben übernehmen und damit zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen beitragen.

Wie sieht die Zukunft des Schweißens aus?

Ich gehe von einer Kombination aus Automatisierung und menschlicher Expertise aus. Roboter werden zunehmend eingesetzt, aber es wird immer gut ausgebildete Schweißer – sowohl beim manuellen als auch automatisierten Schweißen – geben. Ein Schritt für die Zukunft könnte sein, die Qualitätskontrolle direkt während des automatisierten Schweißens durchzuführen. Es wird viel daran geforscht, Schweißdaten wie Schweißstrom und Schweißspannung hochaufgelöst aufzunehmen und mittels KI-Methoden zu analysieren, um Abweichungen vom Standardprozess zu erkennen und gleichzeitig die Anforderungen an die Prozessdokumentation zu erfüllen. Für KMU mit Kleinserienfertigungen ist dabei die Entwicklung von kostengünstigen und einfach zu integrierenden Sensor- und Auswertetechnologien entscheidend.

Mit welchen Unternehmen arbeiten Sie im Forschungsprojekt zusammen?

Wir arbeiten mit den Firmen SOBAtec GmbH sowie Caleg Schrank- und Gehäusebau GmbH zusammen. Sie schweißen Baugruppen mit kleinen Losgrößen (ca. 20 – 40 Stück), und wir haben ihre Baugruppen bezüglich des automatisierten Schweißens geprüft sowie geeignete und einfache Schweißvorrichtungen konstruiert und gefertigt. Des Weiteren wurden Toleranzbereiche für die Bauteilvorbereitung erarbeitet und Probeschweißungen durchgeführt. Wir unterstützen gern auch zukünftig interessierte Unternehmen dabei, individuelle Automationslösungen zu entwickeln und zu implementieren.

Vielen Dank für das Interview!

Im Artikel Intuitive Roboternutzung zeigen wir Ihnen die Ergebnisse unserer aktuellen Schweißversuche im Schweißlabor der Hochschule Mittweida.

Autoren / Autorinnen

  • Professorin für Automatisierte Fügeprozesse und Simulation an der Hochschule Mittweida

  • Leiterin des Fachbereichs HR & Education des Branchen-Netzwerks Silicon Saxony e.V.; Netzwerk- und Öffentlichkeitsarbeit im PAL-Projekt

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